In: Der Film, Nr. 30, 30. Februar 1926
Anmerkung: In der ersten Hälfte des Beitrags wird von einer bestimmten Geschwindigkeit pro Minute gesprochen. Das ist falsch; es muß Geschwindigkeit pro Sekunde heißen.Auf dem Pariser Kongreß hatte, wie kurz berichtet, Oskar Messter, der Altmeister der deutschen Kinematographie, den Antrag gestellt: „Um die künstlerische Wirkung des Films zu erhöhen, ist der Rhythmus der Projektion zu normalisieren.“ Die „Vereinigung Deutscher Filmfabrikanten“ übermittelt uns nunmehr die Begründung, welche ihr verdientes Ehrenmitglied diesem Antrage auf dem Pariser Kongreß gegeben hat und die uns interessant genug erscheint, um weiteren Kreisen vermittelt zu werden.
„Eine künstlerische Widergabe von Filmen ist nur möglich, wenn die Vorführung in dem von dem Kameramann bei der Aufnahme für die Wiedergabe festgelegten Tempo erfolgt.
In den Kinos werden die Filme mit verschiedener Geschwindigkeit vorgeführt. Die in der Minute reproduzierte Bilderzahl variiert zwischen 20 und 40 Einzelbildern. Das Vorführungstempo wird entweder mit dem mutmaßlichen Aufnahmetempo in Übereinstimmung gebracht oder es wird dem Sujet angepasst oder nach der zur Verfügung stehenden Zeit geregelt. Wenn die Filme an gewöhnlichen Wochentagen noch in einem Tempo vorgeführt werden, das den Bewegungen eine annähernde Natürlichkeit gibt, so werden dieselben Filme an Sonnabenden und Sonntagen fast ausnahmslos zu schnell wiedergegeben, um eine erhöhte Zahl von Vorstellungen zu erreichen.
Diesen Nachteilen stehen keine Vorteile gegenüber; denn das aus 40 Einzelbildern in der Minute bestehende Kinobild wirkt im allgemeinen nicht besser als ein mit 20 – 25 Einzelbildern in der Minute vorgeführte Bild. Weder die Bildschärfe noch die Flimmerfreiheit noch die Natürlichkeit der Bewegungen erhöht sich bei Überschreitung einer bestimmten Bildfrequenz. Die Normalfrequenz beträgt für die Wiedergabe 24 Einzelbilder pro Sekunde. Erst nachdem eine Normalisierung festliegt, hat der Kameramann die Möglichkeit, in Bezug auf das Tempo bei der Wiedergabe etwas vollkommen Künstlerisches zu schaffen.
Für die Durchführung der Normalisierung wird es nötig sein, die Aufnahmekameras und die Projektionsmaschinen mit Präzisions-Tachometern zu versehen, die evntuell besondere Einrichtungen haben könnten, welche dem Kameramann bzw. dem Vorführer deutlich melden, wenn er von der notwendigen bzw. von der normalen Bildfrequenz abweicht.“
Diese Ausführungen ergänzt Herr Messter wie folgt:
„Zu meinem Leidwesen musste ich auch hier erfahren, daß alle Fragen, die mit der Technik Berührungspunkte haben, nur mit halber Aufmerksamkeit behandelt werden. Man hatte wie gewöhnlich für den Grundstein der Kinematographie, die Technik, nicht viel übrig! So wurde mir zum Beispiel in einer Sitzung der deutschen Teilnehmer, der ich meinen Antrag vorlegte, empfohlen, mich zwecks Zustimmung der am meisten interessierten Gruppen der Theaterbesitzer und der Kameraleute anlässlich des Ausflugs nach Versailles mit diesem privatim in Verbindung zu setzen.
Durch die Kommission I wurde mein Antrag dem Plenum vorgelegt und einstimmig angenommen.
Die Theaterbesitzer verlangten eine möglichst hohe Drehzahl und wollten schließlich nicht unter 28 Bilder pro Sekunde heruntergehen. Auf ihre Einwendungen, dass sie an Sonnabenden und Sonntagen schneller vorführen müssten als an anderen Tagen, empfahl ich, das Programm für die Wochentage um einen entsprechenden Zusatzfilm zu verlängern. Ich empfahl den Herren Theaterbesitzern und Verleihern, wenn möglich, in Zukunft die Vorführungsdauer nicht nach Metern, sondern nach der Zeit zu bestimmen.
Sobald die Wiedergabegeschwindigkeit normalisiert ist, ist nämlich die Zeitangabe der alleinige Faktor, nach welchem die Vorführungsdauer zu bestimmen ist.“