Den sehr geschätzten Aufsatz des Herrn Hans Landsberg möchte ich mir gestatten, in einigen Punkten zu ergänzen resp. zu widerlegen.
Es ist nicht zu leugnen, dass eine Originalmusik zu neuen, künstlerischen Filmwerken eine weite Aussicht für schaffende Musiker bietet; ich kann mich ber nicht damit einverstanden erklären, dass die Musik jeden wichtigen Einschnitt, jede Bewegung illustrieren muss. – Der Verfasser, der ja die nächsten Filme der Ufa sinfonisch zu komponieren beabsichtigt, wird in der Praxis sein blaues Wunder erleben.
Ich habe dies bei der komposition der Musik des Sumurun– Films am eigenen Leibe verspürt und bin zu dem Schlusse gelangt, dass die Musik zunächst nur die allgemeine Stimmung des Films untermalen kann; sie kann Stimmungswechsel wiedergeben, darf sich aber keineswegs in details verlieren. Ich möchte nur auf ein paar Kleinigkeiten aufmerksam machen, die dem Komponisten verhängnisvoll werden können.
Er ist z.B. bei der Aufnahme eines Tanzes zugegen und bemisst die Länge des Tanzes auf das Genaueste; nun aber denkt der Komponist und der Tausendkünstler Lubitsch lenkt; er schneidet nachträglich den Film; der Tanz beginnt; plötzlich ein anderes Bild, währenddessen die Musik den Tnz spielt; nach einer Weile zeigt die Lweinewand wieder den Tnz, aber die dazu passende Musik ist vorüber. Tableau! – Oder der Vorführer kurbelt schneller oder langsamer als die Musik gedacht ist; da muss halt der Dirigent die Musik wie einen Kuchenteig in die Länge ziehen – oder galoppmäßig beschleunigen, je nach der Laune des Kurblers. – Auf die Sekunde lässt sich keineswegs die Musik einstellen. – Ganz besonders markante Stellen, z.B. ein Fall, ein Schlag, ein Klingelzeichen usw. lässt sich nur dann korrekt musikalisch wiedergeben, wenn der Schlagwerker des Orchesters den Film genau verfolgt und selbständig eingreift.
Alles in allem gibt es für den Komponisten Möglichkeiten und Anregungen in Fülle. Es ist nun seine Sache, die wichtigsten Momente und Stimmungen in der Musik festzuhalten und dem Gefüge einen geistigen Zusammenhang zu geben.
8 Uhr Abendblatt, 22. 10. 1920