Bericht der Ifa-Filiale Berlin für die Zeit vom 1.1. bis 31.8. 1948

26. August 1948

Die Ifa-Filiale Berlin hat ihre Position in Bezug auf das deutsche Wirtschaftsleben und in kultureller Hinsicht gegenüber dem Jahre 1947 noch vergrößern können. Der Name IFA ist für jeden Berliner, auch der anderen Sektoren, zu einem festen Begriff geworden. Er verbürgt vor allen Dingen eine hervorragende Kundenbedienung, Anerkennung bei den Theaterbesitzern im allgemeinen und genießt großes Ansehen bei Personen, die innerhalb der deutschen Filmwirtschaft, des Theaterlebens eine Rolle spielen. Die Verleihleitung der Ifa Berlin war von jeher bereit, keine Mühe zu scheuen, um selbständig, möglichst ohne Unterstützung der Militär-Regierung, Schwierigkeiten zu beheben. Ende des Jahres 1947 konnten Beobachter die Feststellung treffen, dass das Wirtschaftsleben sich in Berlin im Aufstieg befand. Ein Stillstand trat ein, als die erste Krise der Alliierten sich für die Deutschen spürbar machte. Trotzdem ist keinerlei Rückgang in der Entwicklung der Ifa in finanzieller Hinsicht und auch in anderer Beziehung eingetreten. Die Besucherziffern für die Filme der Ifa sind:

Januar 1948 989 747
Februar 955 841
März 1 218 498
April 908 821
Mai 920 272
Juni 1 217 455
Juli 734 273

Diese Ziffern verdienen deshalb besondere Beachtung, weil mit dem 30.1.1948 der für uns von äußerster Wichtigkeit gewesene Austausch mit dem amerikanischen Filmverleih eingestellt worden ist. Amerikanische Filme im französischen Sektor wurden demzufolge noch bis zum 29.1. gezeigt und auf der anderen Seite französische Filme im amerikanischen Sektor bis zum gleichen Datum. Alle Vorstellungen des Verleih-Chefs blieben ergebnislos, da Gründe angeführt wurden seitens der Gegenseite, für die Berlin nicht verantwortlich gemacht werden konnte und worauf wir hier auch keinen Einfluss hatten.
Mit erhöhter Kraft wurde ein Austausch mit dem Sovexport unternommen, und die Ergebnisse in der russischen Zone beweisen, wie stark die Ausstrahlung von Berlin aus gewesen ist. Französische Filme in der russischen Zone sind, da sie bewusst und besonders vorsichtig ausgewählt werden, gute Geschäftserfolge. Wenn wirklich auch für die russische Zone eine freie Filmwirtschaft in Frage kommen kann, wird der Sieg des französischen Films dort sehr wahrscheinlich sein. Bekanntlich sind englische und amerikanische Filme in nur geringer Zahl in der russischen Zone gespielt worden und seit dem Januar 48 überhaupt keine.
Um den ungeheuren Prestige-Verlust einigermaßen auszugleichen, sind sich die verantwortlichen Leiter der Ifa Berlin darüber klar gewesen, dass besondere Maßnahmen ergriffen werden mussten. Die britischen und amerikanischen Film-Sektionen untersagten sogar Presse- und Sondervorführungen für die Ifa in ihren Sektoren, obwohl immer betont wurde, dass sie gerade uns entgegenkommen möchten, dass aber aus zonalen Gründen keine Ausnahme gemacht werden sollte.

Es muss hier ferner berücksichtigt werden, dass von der Ifa Berlin mit einem Maß von Hingabe gearbeitet wurde, die für Außenstehende einfach völlig unbegreiflich sein würde. Während die Theater des amerikanischen und englischen Sektors laufend mit Kohlenzuteilungen bedacht wurden, die ausreichten, um in den Theatern einen Aufenthalt zu gewährleisten, war das im französischen Sektor überhaupt nicht möglich. Die Zuteilung, die durch Deutsche erwirkt werden konnte, war zu geringfügig und konnte nicht im Entferntesten ausreichen. Dass die Theaterbesitzer in unserem Sektor auf unsere Vorstellungen hin dann bereitwilligst Heizungsmaterial auf „Umwegen“ erworben haben, spricht für ihren Willen zur Erhaltung ihrer Betriebe, zum Aufbau der Stadt Berlin und von der Liebe zur Sache. Der größten Gefahr des von der Konkurrenz Erschlagenwerdens konnte dadurch entgegengetreten werden, dass von Zeit zu Zeit Filme, welche nur für die französischen Truppen bestimmt waren, in dem schönsten Kino-Theater Berlins, dem Corso-Filmtheater, vorgeführt wurden. Dieses Filmtheater, im französischen Sektor gelegen, kann natürlich nicht im regulären Einsatz französische Filme in Originalfassung mit Untertiteln vier, sechs oder acht Wochen auf dem Spielplan halten, aber der Erfolg von Presse-Vorstellungen in diesem Theater zeigt, dass das wichtige, bessere Publikum sehr gern bereit ist, von Zeit zu Zeit die beschwerliche Fahrt nach dem Norden Berlins anzutreten. Les enfants du paradis und Carmen sind Beweise dafür. Aus Gründen der Sparsamkeit für die französischen Filme und zur Festigung der Position für die freie Verleihwirtschaft wurde der Einsatz neuer französischer Filme vom März ab zurückgehalten, da uns die größten Theater des Kurfürstendamm und der beiden West- Sektoren völlig fehlen.

Wie wichtig Berlin von den anderen Verleihunternehmen Deutschlands genommen wird, ist daran zu erkennen, dass beispielsweise die MPEA geradezu luxuriöse Räume in Berlin W erworben hat. Die gesamte Einrichtung des Unternehmens entspricht dem Reichtum unserer größten Konkurrenzfirma. Auch die Uraufführungen des amerikanischen Verleihs bilden im allgemeinen besondere Höhepunkte für Berlin. Auch der englische Filmverleih, Eagle-Lion-Film, der im Jahre 46 und 47 fast wahllos seine Filme nach Berlin geworfen hatte und damit den Ruf des englischen Films in Deutschland sehr untergraben hat, begann im Jahre 1948 mit verzweifelten Anstrengungen das verlorene Terrain schon im Hinblick auf die freie Verleihwirtschaft wieder zurückzuerobern. Die Uraufführung des Films Odd man out und die parallel mit London, New York, Brüssel, Paris gestartete Premiere des Films The Royal Wedding sind ein weiterer Beweis dafür. Auch die angekündigten Filme der beiden Westfirmen für die kommende Spielzeit zeigen, dass mit aller Kraft versucht wird, der Gefahr, die durch die Ifa droht, entgegenzutreten. Es unterstreicht jedoch auch die Meinung, die man von Berlin hat.

Wenn auch die gegenwärtigen Schwierigkeiten die beiden Unternehmen zwang, vor einigen Wochen ihre Synchronisationsarbeiten in München vorzunehmen, haben sich diese Firmen doch verhältnismäßig spät zu dieser Maßnahme entschlossen, im Gegensatz zur Ifa. Die Qualität der in München und teilweise in anderen Städten hergestellten deutschen Fassungen ist nur minderwertig. Obwohl sie handwerklich fast durchweg gut gemacht sind, ist der Mangel an guten Sprechern deutlich spürbar. Verhängnisvoll kann sich auch bei den deutschen Fassungen der Einsatz von Dialektsprechern auswirken. Beweise für französische Filme, die schlecht synchronisiert und vom Publikum völlig verlacht wurden, sind vorhanden. Dem amerikanischen und englischen Film ist es teilweise in Berlin ähnlich ergangen. Die Urteile der Theaterbesitzer, der Presse und des Publikums sind uns deshalb besonders wichtig, und hier steht fest, dass die Firma Rex-Film, mit der früher in Berlin gearbeitet wurde, bis auf eine Ausnahme die besten Synchronisationen hergestellt hat. Vertrauliche Informationen, die zu erhalten uns möglich waren, haben ergeben, dass die Ifa, die bisher in bezug auf Gesamtumsatz der Filme in Berlin an zweiter Stelle lag. trotz der Abschnürung vom Berliner Westen in den letzten drei Monaten die erste Position eingenommen hat. Das ist deshalb möglich gewesen, weil englische Filme von den Theatern am Kurfürstendamm nur vom verhältnismäßig kleinen Astor gespielt wurden, während die Filme der Herzog-Film in die größeren Theater Marmorhaus und Film-Bühne Wien übergesiedelt sind.
Der amerikanische Film, der rein zahlenmäßig durch Kopien, Propagandaaufwand und besonders starke Unterstützung der Militär-Regierung uns im allgemeinen überlegen ist, hat nach dem Film Der Glöckner von Notre Dame nur noch den Film Die besten Jahre unseres Lebens herausgebracht. Der Einsatz dieses Films Jedoch war durch die inzwischen im amerikanischen und englischen Sektor stark grassierende Stromsperre sehr behindert.

In Bezug auf die Stromsperre sind in Berlin Verhältnisse eingetreten, die für nicht in der Stadt wohnende unvorstellbar sind. Nach den ersten 14 Tagen sind andere Unternehmen völlig entmutigt worden und haben Produktion und Arbeit eingestellt bzw. einstellen müssen. Durch persönliche Bemühungen war es dem Leiter des Verleihs möglich, die deutschen verantwortlichen Stellen davon zu überzeugen, dass sie mit einer völligen Abschnürung. wie sie vorgesehen war, den wirtschaftlichen Ruin vieler Filmtheater heraufbeschwören würden. Auch der sehr beschwerliche Weg nach Karlshorst [Sitz der Sowjetischen Militäradministration]wurde angetreten, um dort Verständnis zu erwirken. Das positive Ergebnis ist bekannt. Von jetzt insgesamt 34 Filmtheatern im französischen Sektor spielen 21 völlig normal wie „in alten Zeiten“. Andere Theater wurden durch den Ankauf von Aggregaten wieder voll betriebsfähig. Selbstverständlich sind diese ganzen Aktionen nicht von heute auf morgen durchgeführt worden, sondern verlangten wohldurchdachte Planung und Unterstützung gegebenenfalls auch finanzieller Art.

Die Ifa-Filiale Berlin zeichnet sich auch durch eine sehr geschmackvolle Diapositiv-Werbung aus. Es sei zugegeben, dass die Herstellung dieses Werbematerials teurer sein muss wie in der Zone, dafür ist die künstlerische und werbetechnische Qualität eine bedeutend größere.

Als Beiprogramm der französischen und deutschen FiIme des Verleihs läuft generell im französischen Sektor die Ifa-Wochenschau „Blick in die Welt“. Diese Wochenschau zeigte im Vorjahr einige Male Ansätze – als der Austausch zwischen den Sektoren bestand, die „Welt im Film“ zu verdrängen. Der Vorsprung der Ifa-Wochenschau scheint jetzt verlorengegangen zu sein. Das ist erklärlich, wenn die außerordentliche Position der „Welt im Film“ [Wochenschau der Briten und Amerikaner] in Berlin beachtet wird. Kurz nach der Währungsreform und den Stromsperrmaßnahmen wurden die Sonderberichte angefertigt, die tatsächlich in aktueller Weise sofort in ganz Berlin in den Westsektoren zu sehen waren. Aber auch der Inhalt der regulären Bildfolge ist dermaßen interessant, dass die „Welt im Film“ das Format der früheren UFA Wochenschau erreicht hat.
Die Ifa- Wochenschau jedoch – und das muss hier in aller Deutlichkeit gesagt werden – ist eine ausgesprochen für die französische Zone durchgeführte Bildfolge. Der religiöse Einschlag und die landesüblichen Gebräuche der französischen Zone dürfen nicht dazu führen, fast in jeder Wochenschau Kirchenfeste und dergleichen zu zeigen.

Regelmäßig ist die Ifa seit dem Jahre 1948 dazu übergegangen, Sondervorführungen für die Theaterbesitzer Berlins durchzuführen, um alle künftigen Kunden mit dem gegenwärtigen Stand unserer Filme vertraut zu machen. Dadurch war es möglich, alle Kunden davon zu überzeugen, dass die Filiale Berlin leistungsfähig ist trotz der jetzt in Berlin bestehenden Schwierigkeiten, die sich in Bezug auf Transport und Post leider bemerkbar machen. Wie beobachtet werden konnte, ist der Verkehr der beiden anderen großen Firmen mit der Zone durch Flugzeuge zwar verteuert, aber nicht verlangsamt, , während bei uns bei Rückversand von Filmen bereits oft Verzögerungen eingetreten sind, die durchaus Nachteile im weiteren Verleih von Truppenfilmen, z.B. in der Zone, mit sich bringen können. Ein Versand durch die Militär-Dienststellen, die eine gewisse Schnelligkeit garantieren (Signal Centre), ist überhaupt nicht statthaft. Und das ist uns ziemlich unverständlich, weil die Ifa bzw. der frühere französische Filmverleih und Rhein-Donau-Filmverleih immer hin 3 Jahre lang auch deutsche Filme verliehen hatten und damit die Grundlage geschaffen hat für den weiteren Ausbau des Unternehmens.
Mehr denn je muss in Zukunft darauf geachtet werden, dass die Kopienpflege ein wichtiges Argument in der Kundenbelieferung darstellt. In Berlin genießt die Ifa in dieser Beziehung einen hervorragenden Ruf, weil wir es nicht zulassen, Filme, die in schlechtestem Zustand sind, einzusetzen. Es gibt auch bei älteren französischen filmen, deren Einsatz in der französischen Zone bereits abgeschlossen ist, noch einige, von denen man versuchen sollte, neue Kopien zu erhalten. Die Originalfassungen bestimmter Filme würden in den Großstädten Deutschlands diese Kosten bei Weitem einspielen, und ein Film in Originalfassung in den Großstädten gezeigt, wird nachhaltiger wirken als jede Synchronisation. Dass das größte Geschäft natürlich nur mit synchronisierten Filmen zu machen ist, ist bekannt.

Auch in Berlin sind bei den zur Zeit bestehenden 246 Filmtheatern nur ca. zehn für den Einsatz in Originalfassung geeignet. Jede in Berlin durchgeführte Sondervorführung, Presse- und Uraufführung von Filmen, wird von allen maßgebenden Blättern Deutschlands beachtet werden. Es ist selbstverständlich, dass Hamburg trotz aller Anstrengungen, wie auch Frankfurt gegenüber Berlin nur die zweite Rolle spielen kann. Experten des internationalen Filmschaffens, die Berlin auch während der Blockade ständig besuchen, bringen immer wieder zum Ausdruck, dass Berlin die internationalste Stadt Europas ist und man das Echo kultureller Ereignisse in Berlin auch im Ausland immer wieder hören kann.

Selbstverständlich wirken sich die Erfolge des französischen Films in Berlin vor allen Dingen auf den Einsatz in der russischen Zone aus. Die Erfolgsziffern beweisen dieses nachdrücklichst:

Seit Einsatz Juli 1946 bis Dez. 1946: RM 124.299,80
Das gesamte Jahr 1947: RM 305.361,66
Vom Januar bis einschl. Juni 1948: RM 795.620,80

Die französischen Filme für die russische Zone wurden von der Filiale Berlin vorgeschlagen und teilweise nach lange währenden Verhandlungen angenommen und eingesetzt.