Beleuchtungszauber im neuen Lubitsch-Film (1922)

Vorbemerkung: Nach der Ansicht aller Fachleute bedeutet der neue Lubitsch-Film Das Weib des Pharao hinsichtlich der Lichttechnik einen entscheidenden Fortschritt der Deutschen Kino-Industrie. Unser technischer Mitarbeiter setzt hier die Grundlagen dieser neuen Entwicklung auseinander.

Ernst Lubitsch beim Schnitt von Das Weib des Pharao

Der Film Das Weib des Pharao bedeutet insofern einen Markstein in der Entwicklung der Film-Beleuchtungstechnik, als bei den Aufnahmen ganz neue Verfahren und Einrichtungen zur Verwendung kamen. Zunächst einmal wurden dabei Lampen von bisher unbekannter Wirkung benutzt. Die gewöhnlichen Jupiterlampen arbeiten mit zwei oder höchstens vier Lichtquellen. Um die Intensität des Lichtes steigern zu können, wurden besondere Lampengestelle gebaut, die mit nicht weniger als 20 Lichtquellen ausgestattet waren, und deren Wirkung dadurch um ein Vielfaches gesteigert wurde. Diese riesigen Beleuchtungskörper nehmen eine elektrische Energie von 180 Ampère bei 220 Volt auf und geben eine Lichtwirkung, die sich mit einer für die Aufnahmen ungewohnten Helligkeit bis zu acht Metern in die Tiefe und zu sechs Metern in die Breite erstreckt.
Dann aber wurden, wie Herr B. Delschaft in einem in der „Beleuchtungstechnischen Gesellschaft“ gehaltenen Vortrage ausführte, noch eine Reihe besonderer Maßnahmen getroffen, um die eigenartigen Stimmungen hervorzubringen, durch die sich dieser Film auszeichnet. Zunächst einmal wurde das Tageslicht nach Möglichkeit ausgenutzt, das gewissermaßen die primäre Beleuchtung bildet, und durch das die Bauten usw. einen bestimmten Helligkeitswert erzielten, wie er den Ideen der Architekten entsprach. In diese allgemeine Beleuchtung griff dann zur Erzielung einer künstlerischen Wirkung die künstliche Effektbeleuchtung ein, die durch Türen, Fenster usw. einstrahlte, ja, die sogar sehr häufig auch im Freien ausgenutzt wurde. Die Beleuchtung wurde sets sorgfältig ausprbiert, ehe man zu Aufnahmen schritt. Um einzelne Schauspieler, ja, um sogar ganze Gruppen von Komparsen usw. aus der Menge herauszuholen, verwendete man anstatt der üblichen Scheinwerfer besondere Linsenapparate, also Projektionsapparate, die mit optischen Linsensystemen ausgerüstet waren und die stets von oben her zur Wirkung kamen. Dabei wurden durch besondere Maßregeln scharfe Schatten ausgeglichen.
Ferner wurde mit den in Deutschland kaum gebrauchten, dagegen in Amerika viel benutzten Quecksilberdampflampen gearbeitet, die sich für die Raumbeleuchtung sehr gut eignen, die aber soviel Strom verbrauchen, dass sich ihre Verwendung bei uns außerordentlich teuer stellt. Sehr schwer war es, die Wirkungen des direkten Sonnenlichtes herauszuholen. Es wurden hierzu Scheinwerfer mit Parabol- oder Facettspiegeln benutzt. Ihr Licht ist jedoch so hart, dass man den Gang des Strahls im Film hätte verfolgen können. Um daher diesen Strahl unsichtbar zu machen, musste man den Hintergrund durch eine eigene Beleuchtung aufhellen oder den Lichtstrahl in besonderer Weise laufen lassen. Die Quecksilberdampflampe erwies sich vor allem auch für Großaufnahmen als sehr brauchbar. Die aufzunehmenden Personen konnten dicht an die Lampe herantreten, sie standen gleichmäßig im Licht, und es war leicht, besondere Effekte in die Aufnahmen hineinzubekommen. So glückte es auch, die Personen selbst zusammen mit dem übrigen Bilde in großer Aufnahme herauszuholen, und zwar so, dass sie weder selbst zu stark überstrahlt noch zu dunkel wurden. Der Linsenapparat ermöglichte es, die Dekorationen bei Bedarf dunkler zu erhalten, wodurch sie mehr Tiefe bekamen und wodurch sie ferner die aus dem Bilde herausgeholten Personen plastischer darstellten.
Es waren zahlreiche Versuche und Erprobungen sowie neue Konstruktionen von Lichtwellen nötig, bis es gelang, die einzigartigen Wirkungen der Beleuchtung zu erzielen, die so wesentlich dazu beitragen, dem Film Das Weib des Pharao jene künstlerische Ausgestaltung zu geben, die zum großen Teil aus der Ausnutzung des Lichts und seiner zielbewusst durchgeführten Abstufungen beruht.

A. Nbgr. (Dr. Albert Neuburger) In BZ am Mittag, 19. März 1922, Nr. 78