Der brennende Acker (1922)

Im Marmorhaus gab’s gestern eine Filmpremiere vor dem „Verein Berliner Presse“. Wollte man damit beweisen, dass es trotz allem und allem doch eine Filmkunst gibt? Darf man den Beweis als erbracht erachten? Wird „Der bernnende Acker“ die Herzen der Zuschauer entflammen und erwärmen?
Das Autoren-Triumvirat Willy Haas, Thea von Harbou und Arthur Rosen hat einen in sich starken Konflikt ersonnen: Das Drama eines maßlos ehrgeizigen Bauernsohnes, der den Stand und das Erbe seiner Väter missachtet, sich zu Höherem berufen fühlt, aber schließlich von der stolzen Höhe des Ruhms und Reichtums gestürzt, wieder reumütig in den Schoß der Familie zurückkehrt. In einer langsam schleppenden, inhaltsarmen, mit einem Übermaß von Passagen und langen Titeln bedachten Exposition wird geschildert, wie dieser Johannes Rog, der in der Niedrigkeit der Bauernstuben zu ersticken glaubt, sich dem Ziel seiner Wünsche nähert. Er heiratet die verwitwete Gräfin Rudenburg, weil er weiß, dass ihr öd und brach liegendes Besitztum, der von altersher verrufene „Teufelsacker“, eine wertvolle Petroleumquelle in sich birgt. Das alles wird mit epischer Breite und romanhaften Ausschmückungen, die wenig mit dem Wesen des Films zu tun haben, erzählt. Erst im fünften und sechsten Akt wird aus dem „Exklusiv-Film“ ein Explosiv-Film. Die Ereignisse steigern sich mit einer gewissen dramatischen Wucht. Die Gräfin geht ins Wasser als sie den wahren Charakter ihres Mannes erkennt. Ihre von Johannes gleichfalls verschmähte Tochter steckt aus Rachgier den Petroleumschacht in Brand und nimmt sich ebenfalls das Leben. Johannes selbst ist gerichtet, aber zugleich gerettet von der jungen Bäuerin Maria, die jahrelang auf seine Heimkehr gewartet hat und ihn nun [zu] einem stillen, anspruchsvollen Leben zurückführt.
Eine gewiss nicht tiefgründige und, abgesehen von einigen geschickten Nuancen, an Kontrasten wenig neuartige Handlung. Wenn dieser Film trotzdem zu einem Ereignis wurde, so ist dies vor allem der hingebungsvollen und an besten schwedischen Vorbildern geschulten Regie zu verdanken. F.W. Murnau, der Regisseur des Nosferatu-Films, hat auch dieses Werk weit über seinen eigentlichen Gehalt hinaus gesteigert. Unter seiner Führung findet sich eine stattliche Zahl von Darstellern, in schlichtem, tief wirkendem Kammerspiel. Jeder Charakter ist typisch und scharf herausgearbeitet, auch die kleinste Rolle mit verständnisvollen Künstlern besetzt. Der Bauer Peter Rog (Eugen Klöpfer) breitschultrig, bieder, mit allen Phasen am Beruf seiner Väter hängend, im Gegensatz zu Ihm sein Bruder, der ehrgeizige Johannes (Wladimir Gaisarow), der Tag und Nacht nach dem verborgenen Reichtum des Teufelsacker schürfende Graf Rudenburg (Eduard von Winterstein), seine still leidende und schließlich am Leben verzweifelnde Gattin (Stella Arbenina), seine launenhafte und kaltherzige Tochter Gerda (Lya de Putti) und schließlich die simple Magd Maria (Grete Diercks), blitzsauber nach innen und außen. In Nebenrollen Könner wie Werner Krauß und Alfred Abel. Eine hohe Summe von Darstellungskunst. Und doch nicht atemloses Mitfühlen erzeugend, weil die Darsteller nicht wie die Schweden in dem gegebenen Milieu wurzeln.
Der Regie, die sich gestatten durfte, selbst Komparsenrollen mit Solisten zu besetzen, erstanden im Architekten Rochus Gliese und den Photographen Karl Freund und Fritzarno Wagner starke Helfer. Der Kontrast zwischen den Schlossräumen mit ihren weiten Ausmaßen und den dürftigen Zimmern, in denen die bauern „dumpf wie das Vieh“ hausen, ist trefflich geglückt. Nur die (vielleicht infolge zuviel Oberlichts) einem Hofe gleichende Schlossdiele erscheint verfehlt. Die Photographie schuf Bilder von hohem malerischen Reiz. Ihr Höhepunkt die Schneelandschafts-Aufnahmen. Von gewaltiger Bildwirkung, besonders die nächtliche Wanderung zum Petroleumschacht.
bon. (?) in BZ am Mittag, 9. März 1922