Paul Medina: Ein brennender Acker (1922)

Auf dem Exerzierplatz in Potsdam konnte man vor einigen Tagen einen Brand beobachten. Hinter den Kulissen der Allee, mitten im Schneefeld brannte ein kleiner Acker, an dessen einem Ende eine Holzkapelle, an dessen anderem ein Gerüst stand, wie man [es] ähnlich bei Schachteingängen sieht. Mittels Pech, Petroleum und anderem leichten Brennmaterial gab das Ganze ein sehr hübsches, anständiges Feuer ab, das bald rot, bald grünlich aufwirbelte, dunkle Rauchwolken aufsteigen und von eisigem Wind in alle Nasen zerstieben ließ, als wär’s nur ein Ernstfall, während es sich doch, wie wir hier zu sagen bemüßigt sind, um eine Filmaufnahme handelte, was doch viel mehr ist. Denn um das Gelingen eines schönen Brandes bemüht sich wahrscheinlich kein Mensch, und hier stand überdies noch, wie immer bei ähnlichen Anlässen, weit mehr auf dem Spiel: Das Gelingen der Aufnahme. Und davon kann der Laie, der sich die Freude am Schauspiel durch die Kälte fast gar nicht verderben ließ, annehmen, dass die Bilder ebenso gut herauskommen werden, wie das Original, das, wie gesagt, sehr hübsch gelang.
Dem Verdacht, es handle sich bei dem Film „Der brennende Acker“, den Willy Haas erdacht, Arthur Rosen und Thea von Harbou mitzuarbeiten halfen, um eine Sensationsgelegenheit, (was man den guten Absichten des Direktors Sascha-Goron eigentlich nicht glauben würde) trat der Autor mit folgendem Dementi entgegen:
Der brennende Acker ist in diesem Film, einer Tragödie des Ehrgeizes, symbolistisch gedacht, als das Ewig Verbrennende, sich Verzehrende, als der Ausfluss eines höllischen Elementes, das den gesunden Boden längst hat verdorren lassen, bevor es ihn vollkommen vernichtet: Eine Petroleumquelle, die unter dem Acker lag und deren unfruchtbar machende Wirkung das Bauernvolk mit dem Aberglauben erfüllt hatte und die eines Tages, da man unausgesetzt nach ihr grub, wie zur Bestrafung des frevelhaften Strebens, das einen von Ehrgeiz Besessenen alles Menschliche, selbst die Liebe vergessen liess, hatte zu brennen angefangen….
So ungefähr bedeutete der Autor das Wesen seines Films; man muß dabei an Stendhals Julien Sorel denken, der seine schönen menschlichen Eigenschaften an sein Gehirn, an sein Talent absorbierte, um seinen fanatischen Ehrgeiz zu stillen. Dieser Film, der eine in vielen Zügen ähnliche Figur enthalten soll, mag ein eigenes Erlebnis sein, vielleicht auch ein Bekenntnis, die Vision eines Schicksals. Dass eine solche Vision sich an den Film wendet, ihn als Ausdrucksform wählt, spricht nicht gegen die Qualität, nichts gegen den dichterischen Charakter des Einfalls, , aber alles für ihn, wenn der Eindruck, den die Erzählung des Autors und der Anblick des wie in bengalischer Beleuchtung brennenden Ackers gibt, nicht trügt. Das ist nicht anzunehmen. Das Niveau, aus dem der Einfall kommt, verpflichtet; es verpflichtet zumindest zu Reinlichkeit, zur Konsequenz im dramatischen Erlebnis. Klassizistische Strenge scheint hier, und im Film überhaupt, als Ausgleich für die fehlende Tradition notwendig; die erst könnte den Film zum Hervorbringen von Filmdichtern befähigen und ihn stark genug machen, um ihn vor den Forderungen des tagtäglichen Kinos zu sichern, das von den Manuskriptschreibern des Tages heute noch in gefährlicher Weise gespeist wird.
Ein tadellos brennender Acker, der an irgend einen in der Kindheit bestaunten Brand erinnert, oder an Kaisers Geburtstag, berechtigt noch nicht zu Prophetien. Wenn man aber nur zum eigenen Gebrauch prognostiziert, so glaubt man sich berechtigt, weil der Luxusarbeiter F. W. Murnau die Regie führt, und weil er sich mit allen, die am brennenden Acker interessiert sind, mit Alfred Abel, Grete Dierks, Werner Krauss, Lya de Putti, Eugen Klöpfer, Stella Arbenina sehr gut versteht.
Film-Kurier, Nr. 26, 30. Januar 1922