Archiv der Kategorie: Filmtitel

Der brennende Acker (1922)

Im Marmorhaus gab’s gestern eine Filmpremiere vor dem „Verein Berliner Presse“. Wollte man damit beweisen, dass es trotz allem und allem doch eine Filmkunst gibt? Darf man den Beweis als erbracht erachten? Wird „Der bernnende Acker“ die Herzen der Zuschauer entflammen und erwärmen?
Das Autoren-Triumvirat Willy Haas, Thea von Harbou und Arthur Rosen hat einen in sich starken Konflikt ersonnen: Das Drama eines maßlos ehrgeizigen Bauernsohnes, der den Stand und das Erbe seiner Väter missachtet, sich zu Höherem berufen fühlt, aber schließlich von der stolzen Höhe des Ruhms und Reichtums gestürzt, wieder reumütig in den Schoß der Familie zurückkehrt. In einer langsam schleppenden, inhaltsarmen, mit einem Übermaß von Passagen und langen Titeln bedachten Exposition wird geschildert, wie dieser Johannes Rog, der in der Niedrigkeit der Bauernstuben zu ersticken glaubt, sich dem Ziel seiner Wünsche nähert. Er heiratet die verwitwete Gräfin Rudenburg, weil er weiß, dass ihr öd und brach liegendes Besitztum, der von altersher verrufene „Teufelsacker“, eine wertvolle Petroleumquelle in sich birgt. Das alles wird mit epischer Breite und romanhaften Ausschmückungen, die wenig mit dem Wesen des Films zu tun haben, erzählt. Erst im fünften und sechsten Akt wird aus dem „Exklusiv-Film“ ein Explosiv-Film. Die Ereignisse steigern sich mit einer gewissen dramatischen Wucht. Die Gräfin geht ins Wasser als sie den wahren Charakter ihres Mannes erkennt. Ihre von Johannes gleichfalls verschmähte Tochter steckt aus Rachgier den Petroleumschacht in Brand und nimmt sich ebenfalls das Leben. Johannes selbst ist gerichtet, aber zugleich gerettet von der jungen Bäuerin Maria, die jahrelang auf seine Heimkehr gewartet hat und ihn nun [zu] einem stillen, anspruchsvollen Leben zurückführt.
Eine gewiss nicht tiefgründige und, abgesehen von einigen geschickten Nuancen, an Kontrasten wenig neuartige Handlung. Wenn dieser Film trotzdem zu einem Ereignis wurde, so ist dies vor allem der hingebungsvollen und an besten schwedischen Vorbildern geschulten Regie zu verdanken. F.W. Murnau, der Regisseur des Nosferatu-Films, hat auch dieses Werk weit über seinen eigentlichen Gehalt hinaus gesteigert. Unter seiner Führung findet sich eine stattliche Zahl von Darstellern, in schlichtem, tief wirkendem Kammerspiel. Jeder Charakter ist typisch und scharf herausgearbeitet, auch die kleinste Rolle mit verständnisvollen Künstlern besetzt. Der Bauer Peter Rog (Eugen Klöpfer) breitschultrig, bieder, mit allen Phasen am Beruf seiner Väter hängend, im Gegensatz zu Ihm sein Bruder, der ehrgeizige Johannes (Wladimir Gaisarow), der Tag und Nacht nach dem verborgenen Reichtum des Teufelsacker schürfende Graf Rudenburg (Eduard von Winterstein), seine still leidende und schließlich am Leben verzweifelnde Gattin (Stella Arbenina), seine launenhafte und kaltherzige Tochter Gerda (Lya de Putti) und schließlich die simple Magd Maria (Grete Diercks), blitzsauber nach innen und außen. In Nebenrollen Könner wie Werner Krauß und Alfred Abel. Eine hohe Summe von Darstellungskunst. Und doch nicht atemloses Mitfühlen erzeugend, weil die Darsteller nicht wie die Schweden in dem gegebenen Milieu wurzeln.
Der Regie, die sich gestatten durfte, selbst Komparsenrollen mit Solisten zu besetzen, erstanden im Architekten Rochus Gliese und den Photographen Karl Freund und Fritzarno Wagner starke Helfer. Der Kontrast zwischen den Schlossräumen mit ihren weiten Ausmaßen und den dürftigen Zimmern, in denen die bauern „dumpf wie das Vieh“ hausen, ist trefflich geglückt. Nur die (vielleicht infolge zuviel Oberlichts) einem Hofe gleichende Schlossdiele erscheint verfehlt. Die Photographie schuf Bilder von hohem malerischen Reiz. Ihr Höhepunkt die Schneelandschafts-Aufnahmen. Von gewaltiger Bildwirkung, besonders die nächtliche Wanderung zum Petroleumschacht.
bon. (?) in BZ am Mittag, 9. März 1922

Carl Hoffmann: Kleine Geheimnisse um den Faust-Film (1926)

Carl Hoffmann (links) und F.W. Murnau

Der FAUST-Film war nach den NIBELUNGEN für mich die Erfüllung eines langjährigen Wunsches. Wieder konnte ich mich einer wahrhaft großen Aufgabe mit großer Hingebung widmen, obgleich ich mir von Anfang an keineswegs die Schwierigkelten verhehlte, die gerade dieses Thema bot.
Man muss mit phantastischen Bildern rechnen, aber bei einem Sujet wie FAUST, das so tief in der deutschen Volksseele wurzelt, war die gewisse Linie, die das Erhabene vom Lächerlichen trennt, so haarscharf gezogen, dass sich schon daraus unübersehbare Schwierigkeiten ergaben. Und trotzdem bildete die Mystik, von der die alte Volkssage vom Dr. Faustus erfüllt ist, den Hauptanreiz für mich. In diesen Bildern konnte man am besten jene Seite des Films zeigen, an der er dem Theater überlegen ist.

Voraussetzung für eine geschlossene künstlerische Linie war in diesem Falle eine gewisse Gebundenheit an Zeit und Raum. Gerade dieser Film durfte nicht, wie sonst üblich, einfach in Einzelszenen zerlegt werden, die man bald im Atelier, bald in der Natur drehen konnte. Deshalb entschloss sich Murnau – und ich stimmte ihm vollkommen bei – den ganzen Film im Atelier zu drehen. Andererseits lag ja die Möglichkeit nahe, alte deutsche Städte als stilvollen Hintergrund zu wählen.
Die schwierigste Aufgabe für mich war es, nicht nur gestellte Landschaften im Atelier zu drehen – das war schließlich nichts Neues -, sondern auch die atmosphärischen Stimmungen zu schaffen, aus denen speziell der Fachmann nur allzu leicht den Unterschied zwischen Frei- und Atelieraufnahmen erkennt. Es gelang mir zur besonderen Genugtuung, dass ich von anerkannten Fachleuten gefragt wurde, ob die Schneesturmnacht und die Heideszenen auch im Atelier gedreht wurden, und dass man mir nicht glauben wollte, als ich dies bejahte. Wie es gemacht wurde? – Alle Geheimnisse will ich ja nicht preisgeben, aber eines darf ich doch ausplaudern. Stellen Sie sich einen großen Raum (das Atelier) vor. Entfesselte Feuerlöscher, Wasserdampf, der aus Dutzenden von Rohren hervorquillt, dazu noch Dämpfe der verschiedensten Säurearten, alles durch Flugzeugmotoren im Chaos herumgewirbelt … dann haben Sie ungefähr ein Bild der Beschwörungsszene.
Der Schneesturm? – Der Boden des Ateliers war ungefähr 30 cm hoch mit Kochsalz bedeckt. Dann traten drei Flugzeugmotoren in Aktion, die die Salzmassen nicht nur in Bewegung brachten, sondern auch selbst noch große Mengen von Salz durch die Luft trieben. Es war gerade kein Vergnügen, in diesem Salzsturm zu arbeiten. Camilla Horn, das arme Gretchen, hat mir geschworen, dass sie noch nie im Leben solchen Durst hatte wie nach diesen Aufnahmen. Dagegen war es pure V erleumdung, als die Kollegen am nächsten Tag behaupteten, die roten Flecken im Gesicht der Künstlerin waren eine Folge des – Durstlöschens. Sie waren eine Folge des beissenden Salzsturms, der weit schlimmer war als ein wirklicher Schneesturm.

Gösta Ekman, unbekannte Frau, Emil Jannings

Sooft Mephisto am Anfang des Films erscheint, begleiten ihn schwarze Wolken, die die Sonne verdunkeln. Die Wolken bestanden aus dunkler. trockener Farbe, vermischt mit Russ, der durch kleine Windmaschinen empor gewirbelt wurde. Während dieser Aufnahmen waren Schornsteinfeger weiße Lämmchen gegen uns.
Das alles sind Tricks, die anzuwenden jeder Operateur mal in die Lage kommen kann. Wirklich stolz aber bin ich auf die Tatsache, das es mir als erstem gelang, bei dem Flug Mephistos mit Faust ganz kleine Modelle auf das Filmband zu bringen , dass sie, wie auch die strengsten Kritiker zugeben, den Eindruck vollkommener Natürlichkeit machen. Die technischen Schwierigkeiten, die es in diesem Falle zu überwinden galt, waren enorm. We sie schliesslich doch überwunden wurden, entzieht sich natürliich einer öffentlichen Erörterung. Ich habe mit voller Hingabe Monate hindurch Tag und Nacht an der schönen Aufgabe gearbeitet, die mir gestellt worden war. Aber ich habe auch – außer vielleicht bei den NIBELUNGEN – noch nie so viel Freude und Genugtuung an dem Gelingen des Werkes erlebt wie in diesem Falle. Meine schönste Hoffnung ist es, bald wieder mit meiner photographischen Kunst an einem solchen Standard-Werke mitwirken zu dürfen und so das Meinige dazu beizutragen, die deutche Filmkunst weiter zu führen auf dem Wege zu Gipfelleistungen, die uns alle vorschweben.

Erschienen im Ufa Pressedienst, Nr. 151, Berlin, 30.10.1926.; nachgedruckt in Filme, Berlin, Nr. 9, Mai/Juni 1981

Dr.Willy Roelinghoff: „Berlin“, das Schicksal eines Films (1924)

Joe May besucht Carl Mayer in Lychen, 1. Juni 1930
Quelle: Deutsche Kinemathek – 198416 MAY

Ich will den Fall in seiner ganzen historischen Wahrheit aufrollen:
Im Jahre 1915, als es noch Krieg gab, hatte ein Schriftsteller den Gedanken, einen Film zu schreiben. Der Gedanke war weniger neu als das Sujet, dem dieser Gedanke diente. Da man nämlich damals Filme nur mit Hindernissen exportieren konnte, so wählte der genannte Autor ein Thema , das für sein engeres Vaterland von Interesse war. Und er schrieb einen Film mit den Haupttitel „Berolina“.
Im März des Jahres 1924 erschien in der Film B.Z. folgende kurze Notiz: „Berlin“ ist der Titel eines Films, den Carl Mayer verfasst hat.“ Diese Notiz, verschwindend kleinen Umfangs, entging auch solchen Lesern, die für sie das größte Interesse haben sollten. Unter diesen dem obenerwähnten Autor und der May-Film A.-G.

Joe May, dem es nicht an originellen Ideen fehlt, kam auf den Gedanken, es sei gut und zeitentsprechend, der Mitwelt zu zeigen, was Berlin ist und was es kann. So beschloss er denn, einen Film zu gebären, der „Berlin, das Schicksal einer Stadt“ heißen sollte. Schrieb auch flugs ein Manuskript und ließ in der ihm eigenen Unternehmungslust gleich eine Anzahl von Aufnahmen mit dem Schauplatz Berlin machen. Ordnungsgemäß versandte er auch optima fide eine kurzgehaltene Notiz an die Presse, die von seiner Arbeit Mitteilung gab. Dieser knappe Waschzettel wurde, wie das ja so oft geht, von jedermann übersehen, darunter auch von den beiden eingangs genannten Schriftstellern.
Tragisch wurde die Angelegenheit erst, als der unselige Verfasser dieser Betrachtung die Maysche Notiz durch Zufall las und sich bei der May-Film Direktion einen Kommentar hierzu erbat und erhielt. Was er erfuhr, war höchst interessant. Es erwies sich, das May einen Gedanken aufgegriffen hatte, der sozusagen in der Luft lag. Kam doch auch fast gleichzeitig eine französische Gesellschaft auf die Idee, einen Film „Paris“ zu machen. Jedes Volk hat heute nach dem kulturzerstörenden Kriege und seinen noch mehr kulturzerstörenden Folgen das Bedürfnis, aufzubauen. Und nur natürlich ist es, dass es seinen neuerrungenen status quo nunc zu Zelluloid bringt. Frankreich macht Paris, Deutschland Berlin und Montenegro Zetinje – da kann man vergleichen, wer etwas Neues und Gutes geschaffen hat. Daher der Name „Anschaungsfilm“ und „Kulturfilm“.
Herr Carl Mayer, der meinen Artikel gelesen hatte, war inzwischen, nachdem die Rex-Film sein Manuskript aus monetären Gründen abgelehnt hatte, mit der Ufa in Verbindung getreten und erreichte, dass die Ufa für seine, wahrscheinlich ausgezeichnete Arbeit Interesse bekundete, was verständlich ist, wenn man sich daran erinnert, dass Herr Carl Mayer den Caligari hervorgebracht hat, der die ganze Welt erfreute. Er schrieb darauf einen sehr entrüsteten Brief an die May-Film, der er Fehde ansagte. Auch die Ufa sprang in dies Geplänkel und richtete ihre Prioritätskanone gegen das Glashaus der Firma May-Film. Die May-Film erklärte darauf, ihr sei nicht das geringste darüber bekannt, dass Herr Carl Mayer einen Film namens „Berlin“ in der B.Z. angezeigt habe. Es fand sich aber tatsächlich – wie schon oben erwähnt – dass der ominöse Zweizeiler in der Film B.Z. abgedruckt worden war…..
Dieses ist der Tatbestand: Herr Carl Mayer hat einen Film namens Berlin angezeigt. Inhalt jedermann, vor allem aber der May-Film unbekannt. Das wurde mir heute von den Herren Direktoren der Gesellschaft erhärtet. Die May-Film hat also ein Manuskript hergestellt oder herstellen lassen, dessen Inhalt sich unter keinen Umständen mit dem Inhalt des Mayer-Films deckt. Zufall ausgeschlossen. Aber die Ufa kommt mit der Prioritätskanone und sagt: “Wenn du deinen Film herausbringst, so schieße ich Dir sofort eine einstweilige Verfügung in Deinen Glasbauch.“ Mit welchem Rechte? Ganz einfach mit dem Rechte dessen, der die lächerlichste und gefährlichste aller Usancen für sich hat. Die deutsche Filmindustrie sitzt nämlich auf dem Gewohnheitscodex, in dem die Formel enthalten ist: „Hat irgend jemand einen Film öffentlich angekündigt, so hat kein anderer mehr das Recht, diesen Film herzustellen.“ Im vorliegenden Falle: Berlin ist gleich Berlin, etwa so, wie die Reichsbank einmal sagte: Mark ist Mark. Auf die Gleichheit des gedanklichen Inhalts kommt es gar nicht an. Berlin ist Berlin.
Vielleicht hat Herr Mayer einen Spielfilm geschrieben, während May einen Anschauungsfilm sah – einerlei: Berlin ist Berlin. Velleicht hat die Ufa das Manuskript noch gar nicht erworben, vielleicht handelt es sich einstweilen nur um einen Entwurf und das Regiebuch liegt noch im Zeitenschoße? Einerlei: Berlin ist Berlin. Shylok-Ufa besteht auf ihrem Schein. Sie steht auf der Tradition, auf der Usance und legt das Zündhütchen auf die Prioritätskanone…
Nun aber bitte ich, ergenst nachzulesen, was am Anfange dieser Betrachtung von mir berichtet worden ist. Dass nämlich anno 1915 ein Schriftsteller, den ich vielleicht kenne, einen Film des namens „Berolina“ geschrieben hat. Mehr noch; dass dieser Schriftsteller in irgendeiner Zeitung dieses Ereignis publiziert hat. Wie nun, wenn dieser Schriftsteller plötzlich aus der Versenkung auftaucht und seinerseits ein Prioritätskanönchen auffährt oder mit einer Vorhandgranate aufwartet? Die Folgen? Nicht Joe May, nicht Carl Mayer und nicht die Ufa dürfte den Film vorführen. Nur dem Autor X. bliebe es vorbehalten, seine filmischen Todestrahlen gegen die Glashäuser derjenigen, die er als Nachahmer bezeichnet, zu richten. Oder ist „Berolina“ nicht gleich „Berlin“? Ja, dann könnte ja auch die May-Film allen Unbequemlichkeiten aus dem Wege gehen, indem sie ihren Film etwa „Spreeathen“ betitelte.

Zum Schluss noch eine bescheidene Frage. Zwei Fabrikanten machen sich, von der Duplizität der Ereignisse gepackt, an dasselbe Sujet. Die anuskripte sind fertig und liegen in den Archiven. Der eine von ihnen will allen Ernstes drehen, der andere denkt gar nicht daran. Wie lange, bitte, muß der ernthafte Fabrikant warten, bis er sein, durch den Prioritätsfimmel gedeckte Projekt, verwirklichden darf? Eine Filmsaison oder ein Menschenleben?

In: BZ am Mittag, 29.6. 1924, Nr. 176

Walter Ruttmann: Mein neuer Film (1926)

Der Film soll rentieren. Das heißt: Er soll nicht nur einer Gemeinde auserlesener, sondern vielen, sehr vielen, am liebsten allen gefallen. Diese Forderung hat durchaus nicht nur geschäftliche, sondern vor allen Dingen kulturelle Bedeutung. Denn nach Jahrhunderten, in denen künstlerische Interessen immer mehr zu Vereinsangelegenheiten verkümmerten, ist plötzlich durch den Film wieder ein Instrument auf die Welt gekommen, das zu Allen spricht und überall Resonanz findet. Gerade aus diesem Grunde wird natürlich bezweifelt, dass der Film Kunst sei. Denn man hat sich daran gewöhnt zu glauben, dass „Kunst“ ein Ding ist, das nur für wenige, besonders dazu geschulte existiere. Aber es ist Kunst. Natürlich nicht in all seinen Erzeugnissen; aber er kann es sein und wird es vor allen Dingen sein – nicht zuletzt deshalb, weil er sich an alle wendet.
Es wirkt vermutlich überraschend, dass gerade ich diese Popularität und Allgemeinverständlichkeit des Films propagiere, der ich mit meinen stofflosen „absoluten“ Filmen Dinge schuf, die zwar alle in Erregung versetzen, aber vorläufig nur von einem Teil des Publikums ganz einfach genossen werden, und die dadurch scheinbar außerhalb der normalen Entwicklung des Films stehen. Scheinbar! Denn gerade diese ganz konsequente Betonung der rhythmischen und dynamischen Gesetzmäßigkeiten des Films, wie sie einst in meinen „absoluten“ Lichtspielen geschah, beginnt nun bereits, als selbstverständliches Erfordernis in die allgemeine filmische Gestaltung einzugehen. Regisseure versichern mir heute, dass sie den filmischen Kontrapunkt , den ich aufstellte, gründlich verdaut und dauernd in ihrer Weise verwendet haben.
Als ich vor vielen Jahren in der Erkenntnis, dass der Film die Kunst unserer Zeit ist, meine ganze Arbeit auf den Film konzentrierte, bestand im Rahmen der Industrie noch keine Möglichkeit, ohne unerträgliche Kompromisse reine Filmsprache zu sprechen. Ich ging also meinen Weg für mich allein. Denn es war mir wichtiger, eine einfache Melodie richtig zu spielen, als gigantische Symphonien zu pfuschen. Heute aber wird mir die Bestätigung, dass mein Weg richtig war. Die Europäische Fox-Produktion stellt mich vor die Aufgabe, an einem großen, rein „stofflichen“ Film die Lebensfähigkeit meiner Film-Anschauungen zu beweisen. Mit Freuden gehe ich an diese Arbeit, die mir endlich die Möglichkeit schafft, zu allen zu sprechen.
Im Gegensatz zu meinen bisherigen Filmen, in denen ich reine ornamentale Formen in Bewegung setzte, werden hier die jedem bekannten Dinge unserer Umwelt zu dramatischem Ablauf tzusammengeballt und ergeben in ihrem Querschnitt – ohne Bindung an eine theatermäßige Handlung – die Symphonie der Großstadt.

In: BZ am Mittag, 9. Juli 1926. Nr. 185, Film-BZ Nr. 53
Dank an Jean-Paul Goergen

Herlth und Röhrig zum Faust-Film

Vor einiger Zeit schrieben mir zwei der bekanntesten Berliner Filmarchitekten u.a. folgendes: “ Sie wissen ja, welche eine schwere Arbeit der Faust-Film war. Sie haben sich selbst davon überzeugt, welch einen Anteil gerade wir Maler an der bildlichen Konposition dieses Films hatten und als Fachmann verstehen Sie ohnehin, was für derartige Stoffe das weiße, leere Papier bedeutet. Ich meine … anfangs, war keine Vorstellung ausser der Handlung …. da mußten nur wir herhalten.
Wie aber sieht es jetzt aus? Wie stellt sich die Firma zu unserer Arbeit? Sie hat den Film an eine andere Firma verkauft und da kennt man uns nicht einmal (so scheint es), man weiß noch gar nichts von dem eigentlichen Hergang der künstlerischen Schöpfung dieses Films. Soll es so sein? Halten Sie das für eine gerechte Regelung der Anerkennung künstlerischer Arbeiten? Für jede Kunstgattung existiert das Urheberrecht, und wenn ich auch zugeben muss, dass in den Augen der grossen Masse der Filmproduktion der Arbeitsanteil des Architekten und Malers nur verhältnismäßig gering ist, so waren es dennoch in diesem Falle beim Faustfilm bestimmt Maler, Filmleute schlechthin.“
Diese Anklage zweier filmisch so anerkannter Künstler wie Herlth und Röhrig scheint mir nicht zu Unrecht erhoben zu sein. Wenn auch die Namen dieser beiden Malerarchitekten auf einer ganzen Reihe von Ankündigungen des obigen Films zu lesen sind, so hat man sie dennoch viel zu wenig der großen Öffentlichkeit, sowohl der Fachwelt wie auch dem Publikum bekannt gegeben, man hat zwar immer wieder vom Regisseur und den Hauptdarstellern gesprochen, von dem vielen Geld, das dieser Film gekostet hat, von den großen Erwartungen, denen man sich hinsichtlich seiner Auswertung (mit Recht) hingibt, aber wenig, viel zu wenig, fast gar nicht von dem Architekten und dem Kameramann.
Das sind unstreitig Unterlassungssünden, zumal sich gerade dieser Film wie wenig andere, auf dem Optischen, dem Filmarchitektonischen vollständig aufbaut, jede Szene sich dem Beschauer so darbietet, als wenn Milieu, Format und Bewegung des Bildausschnittes von einem einzigen Künstler geschaffen wären. Das schmälert nicht im mindesten das Verdienst des Regisseurs, aber es rückt dasjenige der Filmarchitekten besonders in den Vordergrund, zumal man sich vor Augen halten muss, dass wirklich “im Anfang das leere Blatt Papier war“. Denn wir wollen uns doch darüber klar sein, dass auch der genialste Regisseur unbedingt der Kulisse, des Hintergrundes seines Gestaltens bedarf, um seelische Vorgänge ins Bewegungstechnische und Reinoptische transponieren zu können. Seinerzeit schrieb ich bereits gelegentlich eines Atelierbesuches über die eigenartige Bauweise von Herlth und Röhrig , ihr ausgesprochen perspektivisches Bauen, ihre Tendenz, alle Vorgänge so in das Bild zu stellen, dass schon die Größenverhältnisse, die Formen und die Farbabtönungen der Gegenstände an sich das Verständnis und Empfinden der Zuschauers unterstützen und beflügeln. Es ist wohl durchdachte und künstlerisch auf feinste abgestimmte Absicht der beiden Architekten , dass zum Beispiel in Gretchens Zimmer sich ein (scheinbar) riesengroßes Fenster befindet, hinter dessen Butzenscheiben der gigantische Schatten von Mephisto oder Faust sichtbar wird. Wohl erwogene Absicht, dass Mephistos Teufelsfratze beinahe eine ganze Wand ausfüllt, während sich die Klingen von Valentin und Faust auf der nächtlichen Gasse kreuzen. Alle diese winkligen Gassen und Gässchen, diese Erker und Ecken, diese leeren und hallenden Domräume, der gleichsam über einen unermesslichen tiefen Abgrund hinwegführende, ansteigende Viadukt, über dessen Geländer sich Mephisto hinabbeugt, diese Überschneidungen der Dekorationen und gleichsam auch der Geschehnisse stellen einen ganz neuen Abschnitt der Filmarchitektur vor: Das optische Bauen.
Man hat schon früher ähnliches versucht, seelische Impressionen in das Lokalkolorit überführt, Dekorationen gebaut, die sich aufs engste schon in ihrer Form dem psychischen Geschehen, das in ihnen spielt, anpassen, aber es scheint mir, als ob man noch in keinem Film diese Absichten und diesen Weg so zielbewusst und systematisch verfolgt hat wie im Faust.
Kommen wir zum Brief von Herlth und Röhrig zurück! Wirklich muß man fragen, wann endlich dem künstlerischen Filmarchitekten und Filmmaler im Werk und im Abglanz seines Werkes diejenige Stellung eingeräumt werden wird, die der Kameramann in allerjüngster Zeit zu erringen sich auf dem besten Wege befindet. Es soll keiner eine Extrawurst bekommen, aber auch keiner, dem ein großes Verdienst an einem bedeutsamen Werk gebührt, sollte beiseite stehen.

-o- in Film-Kurier, 13.10.1926

Die mysteriöse Geschichte der Faust-Bibel

Der Film Faust ist in den Jahren 1925/ 26 gedreht worden; die Faust-Bibel erhielt Murnau als Abschiedsgeschenk nach dem Ende der Dreharbeiten am 24. März 1926 von dem Filmarchitekten Robert Herlth. Produzenten schenkten ihren Stars zum Abschluss der Dreharbeiten gelegentlich ein Photoalbum mit Szenen- und Werkphotos zur Erinnerung an das gemeinsame Werk – – nur war dies ein Geschenk des Architekten Robert Herlth und deshalb etwas Besonderes.
Faust war der letzte Film, den Murnau in Deutschland und für die Ufa drehte; Murnau hatte im Januar 1925 schon einen Vertrag mit der Fox in Hollywood abgeschlossen; das Ticket für die Passage nach New York war für Ende Juni 1926 gebucht; die Premiere von Faust fand erst im Oktober in Berlin statt.
Der Film gehört zum festen Kanon der deutschen Filmklassiker; die Filmhistoriker und alle, die sich für die Kultur der Weimarer Republik interessieren, kennen ihn – dem Rest der Filminteressierten wird er, stumm und schwarz/weiß, herzlich egal sein. Und was ist, was könnte die Faust-Bibel sein? Darauf gibt es mehrere Antworten, denn die Bibel ist ein Objekt mit verschiedenen Identitäten.
Der Filmarchitekt Herlth selbst gibt auf der Innenseite des Umschlags der Bibel eine Erklärung: „Der Einband dieses Buches stellte im Faust-Film Faustens Bibel dar.“ Nun gibt es in der Bibliothek des gelehrten Faust viele Bücher und Folianten, die als Bibel gelten könnten. Was ist also mit dem Wort „Bibel“ gemeint? Hier ist eine Vermutung: Als Faust zu einer an der Pest erkrankten Frau gerufen wird, flösst er ihr ein Medikament ein, das er selbst entwickelt hat. Aber das Medikament wirkt nicht, die Frau stirbt.
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Liebeneiner sprach in Hamburg (1949)

Der Film Liebe 47 war aus irgendwelchen Gründen bisher in Hamburg noch nicht aufgeführt worden. Er sollte die Grundlage für eine Fortführung der Aussprache über die gemeinsamen Aufgaben von Kirche und Film bilden. Dank dem Entgegenkommen der Panorama-Film Ges. war es möglich geworden, den Liebeneiner-Film dem Arbeitskreis in einer Sondervorführung zu zeigen. Etwa 90 geladene Gäste, unter denen sich die greisen Eltern Borcharts befanden, folgten den aufrüttelnden Bildern mit einer Erschütterung, die deshalb besonders bemerkenswert war, weil es sich zum größten Teil um altversierte Fachleute aus dem Gebiet des Films handelte. Außer den Vertretern der Kirche, unter ihnen Oberkirchenrat D. Knolle, und Weiterlesen

Heute heiratet mein Mann (1956; Regie: Kurt Hoffmann)

Briefwechsel zwischen der Filmbewertungsstelle und Kurt Hoffmann

 

Wiesbaden-Biebrich, Schloss
22.Aug. 1956

An Georg Witt-Film GmbH. München-Geiselgasteig Bavaria-Filmplatz 7

Auf Grund der “Verwaltungsvereinbarung über die Errichtung einer Filmbewertungsstelle in Wiesbaden“ ist der Film: “HEUTE HEIRATET MEIN MANN”
Prüf.-Nr. 3044
Länge: 2.589 m in Original-Fassung. Sprache: deutsch. Hersteller: Georg Witt-Film GmbH., München; Verleiher: Constantin-Filmverleih GmbH. Ffm.
gemäß Ihrem Antrag vom 13. August 1956 geprüft worden. Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der Film kein Prädikat erhalten konnte. Weiterlesen

Martina. 1949. Regie: Arthur Maria Rabenalt

Martina_PlakatRazzia in der Pension „Eterna“, einem verkappten Bordell der Nachkriegsjahre. Tinny Kusczinsky (Jeanette Schultze) ist schon häufiger aufgegriffen worden; jetzt kommt sie in ein Erziehungsheim. Tinny hat, so behauptet sie vor Gericht, keine Verwandten mehr; aber auf dem Gerichtsflur begegnet sie ihrer Schwester Irene (Cornell Borchers). Irene ist Psychologin, arbeitet mit dem Mediziner Professor Rauscher (Werner Hinz) zusammen und wird von dem schwedischen Fotografen Volker (Siegmar Schneider) hofiert. Irene findet Tinny, die eigentlich Martina heißt, im Fürsorgeheim; Martina ist bockig und verschlossen, kann aber auch schlagfertig und kess sein. Sie hat sich eine neue Identität zugelegt, will nicht darüber reden, was sie durchgemacht hat und flieht Weiterlesen

Das Bekenntnis der Ina Kahr (1954). Regie: G. W. Pabst

Dieser Film von G.W. Pabst wird in den Büchern über Pabst nicht wirklich behandelt. Pabst habe den Film, nachdem er mit seiner italienischen Produktionsfirma in Konkurs gegangen sei, nur des Geldes wegen gemacht, ja machen müssen. Genaueres weiß man oder sagt man in diesem speziellen Fall nicht; es ist als grausten sich die Filmhistoriker überhaupt vor der Nennung der späten Arbeiten von Pabst wie Ina Kahr, Rosen für Bettina und Durch die Wälder, durch die Auen – beim letzten Titel kann ich das verstehen.

Die Handlung von Ina Kahr basiert auf einem Fortsetzungsroman, der in der Programmillustrierten „Hören und Sehen“ erschienen war. Nach „Hör Zu“ war „Hören und Sehen“ mit einer Auflage von 750.000 Exemplaren pro Woche die zweitstärkste Programmzeitschrift. Erna Fentsch, die Ehefrau von Carl Wery, schrieb das Drehbuch. In Rosen für Bettina spielt Wery einen Arzt; die weibliche Hauptdarstellerin ist Elisabeth Müller. Müller ist kein Publikumsmagnet, aber ein ganz eigener Charakter in den Filmen der fünfziger. Ob in Ina Kahr, in Rosen für Bettina oder in Gestehen Sie Dr. Corda ist ihre Rolle reines, fast unpersönliches Klischee.
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Rose Bernd. 1919. Regie: Alfred Halm

Emil Jannings und Henny Porten in „Rose Bernd“

Musikbegleitung zum Henny-Porten-Film „Rose Bernd“
Zusammengestellt von Kapellmeister Dr. Bechstein

In: Der Film, Nr. 40, 5. Oktober 1919

I. AKT
VI. Symph. (Beethoven) I. Satz, bis der alte Bernd, allein in der Stube, die Bibel liest; hierbei Choral aus „Evangelimann“ (Kienzl) oder Musik ähnlich. Charakters. (Für diese zwei Musikstücke könnte man auch die Introduktion z. Oper „Dorf ohne Glocke“ von Künneke und „Et in terra pax“ aus derselben Oper spielen.) Wie Streckmann zum ersten Male erscheint, „Tiefland“ (d’Albert) Phantasie Nr. 10-16 evtl. wiederholt, bis der alte Bernd mit Keil die Bibel liest. Hierzu wieder Evangelimann bis Begräbnis, wobei der Trauermarsch aus d. Eroika (Beethoven) gespielt wird. Wie Flamm dann in die Stube kommnt, spiele man sehr leise und innig Griegs Lieder „Ich liebe dich“ und „Erotika“ bis Ende des Aktes oder das Finale des I. Aktes aus der Oper „Das Dorf ohne Glocke“, Seite 34-44 des Piano-Auszuges,

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Die Herrin der Welt. 1919. Regie: Joe May

Mia May in „Die Herrin der Welt“

Anonym: Mit der Stadtbahn um die Welt.
Die sagenhafte Stadt Ophir – Florenz in Weissensee
In: Der Film, 27. 9, 1919, Nr. 39

Wir haben es wirklich herrlich weit gebracht. Die Hamburg-Amerika-Linie, der Norddeutsche Lloyd, Zeppelin und Flugzeug sind wieder einmal übertrumpft. Mit der Stadtbahn fährt man in wenigen Stunden durch die ganze Welt. Man löst z. B. am Bahnhof Zoo um 9 Uhr eine Fahrkarte nach Erkner und ist bereits um ½ 11 Uhr in Afrika.

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Rosen für Bettina (1956). Regie: G. W. Pabst

Elisabeth Müller schwebt durch diesen Film als zentrale Figur, an der sich weniger eine Geschichte entwickelt, als dass Konstellationen und Verhältnisse verschoben werden. Das Schicksal schlägt die erfolgreiche Primaballerina Bettina Sanden (Elisabeth Müller) mit einer schweren Krankheit. Gerade noch hat sie ein Engagement an den Broadway abgelehnt, weil Lebensgefährte und Choreograf Kostja (Ivan Desny) nicht mit engagiert wird, da bekommt sie Kinderlähmung. Wird Kostja in dieser Krise zu ihr stehen? Er versucht es ja, aber auch ihn trifft das Schicksal in Gestalt seiner Karriere und einer neuen Primaballerina; das Fleisch ist schwach und das Leben muss weitergehen. Bettina nun liegt im Bett mit dieser zur Zeit der Filmproduktion noch unheilbaren und heimtückischen Krankheit.

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Alle kann ich nicht heiraten (1952) Regie: Hans Wolff

Georg Bruckbauer und Willy Winterstein führen die Kamera, Rolf Zehetbauer ist der Architekt, Willi Forst hatte die Idee und Bert Grund arrangierte Peter Kreuders Kompositionen in Alle kann ich nicht heiraten. Das ist – für das Jahr 1952 – keine schlechte Besetzung. Hans Wolff, abonniert auf Komödien und leichte Stoffe und kein sehr bekannter Name, führt Regie. Und dann ist alles ganz banal.

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